Option B - Was tun, wenn A nicht mehr möglich ist

Sheryl Sandberg ist Geschäftsführerin von Facebook. 2015 ist sie, die sich auf ihre eloquente Art insbesondere auch für Frauen in Führungspositionen engagiert, mit dem Unvorstellbaren konfrontiert. Auf einem gemeinsamen Urlaub stirbt ihr Mann plötzlich und unerwartet. Zwei Jahre später veröffentlicht sie, als eine Art der Vermächtnisarbeit, das Buch "Option B - Facing Adversity, buidling resilience, and finding joy" In dem Buch geht es um ihre Trauer und um die Fähigkeit Resilienz zu entwickeln, in schweren Zeiten. Für mich leistet das Buch wichtige Bewussteinsarbeit zum Thema Trauer.

"One of the reasons why I wrote this book, because I want to bring elephants out of the room. Because hardship brings a lot of elephants. [...] This elephant keeps following your around. You want to silence a room? Go, get cancer! Loose a child!"

 

(c) The Ellen Show vom 24.04.2017

Viele Aspekte finde ich wichtig und völlig nachvollziehbar. Anderes teile ich nicht uneingeschränkt. Aber hört und lest selbst.

Die ersten Kapiteln des Buches sind sehr eindringlich, bringen Trauernden Bestätigung und trauerunerfahrenen Menschen wichtige Aspekte von Trauer ins Bewusstsein. Es geht um die erste Stunden, Tage, Wochen der Trauer. Es geht darum, wie eine sich verändert. Dass man einerseits sein altes Leben zurück will, andererseits ohne den verlorenen Menschen nicht die Alte sein kann.

Es geht um die Reaktionen des sozialen Umfelds. Um den Elefanten im Raum, der dadurch entsteht, dass alle Bescheid wissen, aber niemand darüber spricht. Darum das Menschen aus Angst irgendwas falsches zu sagen, gar nichts sagen. Dass sie einen nicht an den Verlust erinnern wollen. Sie erinnert sich, dass sie selbst nicht anders war. Früher, wenn sie von jemanden erfahren hat, dem etwas schlimmes widerfahren ist, hat sie zwar einmal nachgefragt. Aber dann das Thema nicht mehr aufgebracht, vorrangig, um die Person zu schützen und sie nicht an den Tod, die Krankheit etc. zu erinnern. Was, wie alle Betroffenen wissen, eigentlich lächerlich ist. Du kannst nicht erinnert werden, da du es immer weißt. Es immer bei dir ist.

Auch für Sheryl Sandberg war es nicht nur allein schwer die Trauer zu über-/erleben, sondern auch die Isolation, die mit ihr einhergeht. Klar ist aber, indem für eine wichtige Menschen nicht darüber sprechen (können), diese Beziehungen zerstört werden.

Sheryl Sandberg gibt auch ganz praktische Tipps für Menschen im Umfeld von Trauernden. Den Schmerz anerkennen. Zu zeigen, dass ich weiß, dass du leidest. Dass ich da bin, um dir zu helfen, da durchzukommen. Statt der belastenden und eigentlich oftmals unbeantwortbaren Frage "Wie geht`s?", einfach zu Fragen "Wie geht's dir heute?" etc etc.

Und den weiteren Klassiker "Sag mir, wenn ich irgendwas für dich tun kann." zu vermeiden, der die Verantwortung wieder auf die Trauernden zurückschiebt, die teilweise weder genau wissen was sie brauchen, noch die Energie haben sich zu organisieren. Dass es darum geht, etwas anzubieten, etwas konkret zu tun. Ja aber ohne den Anspruch, die Dinge wieder gut zu machen.

Sheryl Sandberg wählt relativ von Anfang an einen sehr offenen Umgang mit ihrer Trauer. Sie schreibt ein E-Mail an viele Menschen in ihrem Umfeld, indem sie über das Erlebte spricht und was sie an Unterstützung braucht. Damit schafft sie sehr offensiv den Elefanten aus dem Raum. Für mich ist aber auch klar, dass ein solch offener Umgang nicht der einzig wahre ist. Sondern einer von vielen möglichen und es sehr vom eigenen sozialen Umfeld abhängt, was möglich oder hilfreich ist.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist wie sie den Umgang der Menschen auf ihren Arbeitsplatz mit ihrer veränderten Situation beschreibt. Sie kehrt relativ rasch wieder auf ihren Arbeitsplatz bei Facebook zurück. Und sie beschreibt ihren Chef Mark Zuckerberg als wichtige Stütze. Aber nicht deswegen, weil er sie schont und sie von ihren verantwortungsvollen Tätigkeiten freistellt, sondern indem er sie weiter fordert und bestärkt, und insbesondere anerkennt, wenn sie Gutes leistet. Diese Anerkennung hilft ihr zu sehen, dass mit ihrem Mann nicht alles von ihr mit gestorben ist. Dass sie weiterhin gute Arbeit erbringt. Trotzdem gibt es Rücksichtnahme und Zugeständnisse. Da könnten sich wahrscheinlich so manche Führungskräfte einiges abschauen und lernen.

Etwas ambivalenter habe ich die Kapiteln zu "Finding Joy and Happiness" gelesen. Nicht weil ich finde, dass Trauernde sich nicht auf die Suche nach Zufriedenheit und Glücklichsein machen können/sollten. Sondern weil in diesen Kapiteln Traurigsein im Grundton negativ bewertet wird. Traurigsein ist ein sehr intensives Gefühl, das nicht immer rein negativ ist. Das Traurigsein bringt uns Verbundenheit, das intensive Spüren des Verstorbenen und kann auch das Herz zum Beben bringen. Viele Menschen hören deswegen traurige Musik oder weinen während sie traurige Filme sehen. Echte Freude spüren zu können mag vielleicht auch damit verbunden sein, richtig traurig sein zu können. Ich glaube auch, dass es eine der Herausforderungen der Menschen im Umfeld einer Trauernden ist, die trauernden Person traurig sein lassen zu können und diese Traurigkeit zu akzeptieren, nicht zu bewerten, verkleinern oder wegmachen zu wollen.

Eine andere Gefahr, die ich auch durchaus wahrnehme ist, dass Nichttrauerende Trauernden das Buch empfehlen, mit dem versteckten Hinweis: "Schau, wie gut, wie offen, wie produktiv Sheryl Sandberg trauert. Wie sie ihr Leben aktiv weiterlebt und versucht positives aus ihrem Schicksalsschlag zu entwickeln."

So sagt auch ein Interviewkommentartor "The other side of great loss can be joy, love and gratidude for your life". Was (akut) Trauerende jedoch nicht brauchen, ist jemand der Ihnen sagt, dass die Schule des Lebens ihnen die Möglichkeit gegeben hat, zu Lernen, was wichtig im Leben ist, Liebe, Dankbarkeit. Es muss nichts Positives aus einem schweren Schicksalsschlag entstehen. Er darf einfach nur total furchtbar und einfach nur Scheiße sein. Schweres darf einfach nur Schweres bleiben. Positives entsteht möglicherweise nicht wegen dem Erlebten, sondern trotzdem.

Trotzdem können Menschen mit Trauererfahrung Perspektivenveränderungen erleben. So sagt auch Sheryl Sandberg: "This huge tragedy made me more grateful. It would have never occured to me that he would not grow old. If we grow old, we are lucky."

Ich verstehe das Bedürfnis etwas mitzunehmen wollen. Etwas aus dem Erlebten zu weiterzutragen. Ist doch dieser Blog auch aus dieser Intention heraus entstanden. Es ist schön, etwas im Namen einer oder für eine verstorbene Person zu tun.

i want his memory to stay alive.

Alles in allem finde ich "Option B" ein wichtiges, ein gutes Buch. Aber dennoch sollte es nicht als Anleitung oder sogar Vorgabe für den eigenen Trauerweg gelesen werden. Sondern als eine Möglichkeit von vielen, wie wir alle versuchen unser eigenes Leben selbstbestimmt weiterzugehen.